13.01.2020
Sozial braucht digital – unser Wunsch zu Beginn des neuen Jahres: digitale Teilhabe für ALLE!

Digitale Spaltung: Warum Internet für Wohnungslose wichtig ist

Ob das Wetter, die Öffnungszeiten von Ämtern oder Stellenangebote: Das Internet versorgt uns in Sekundenschnelle mit wichtigen Informationen. Aber was, wenn man keinen Zugang zum Netz hat? Gerade für Wohnungslose ist es das Fenster zur Welt.

„Es ist komplett kaputt“, seufzt Peter, der in Wirklichkeit anders heißt. Sein Handy sei ihm ein paar Mal heruntergefallen, erzählt er. Das Display-Glas des alten Samsung-Smartphones ist gleich mehrfach gesprungen, sodass er nur mit Mühe etwas auf dem Bildschirm entziffern kann. Für ein neues Gerät fehlt ihm das Geld, denn das ist ohnehin knapp.

Peter lebt seit einigen Wochen auf der Straße. Jetzt sitzt er in der Bahnhofsmission und lädt sein Handy, denn ein bisschen was kann es noch: Whatsapp-Nachrichten empfangen zum Beispiel. Zweimal am Tag muss es an den Strom, die Kälte schadet dem Akku. In der Bahnhofsmission gibt es Mehrfachstecker, so können mehrere Wohnungslose ihre Geräte gleichzeitig aufladen.

Internet: Das Fenster zur Welt

Internet zu haben, ist heutzutage kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit, auch und gerade für Menschen, die auf der Straße leben. „Handys sind sehr zentral“, sagt etwa Barbara Thoma, die Leiterin der evangelischen Bahnhofsmission. „Damit kann man Kontakt halten zur Familie, zur Außenwelt, auch zu Ämtern.“ Die meisten Menschen, die in die Bahnhofsmission kommen, haben ein Handy. Viele von ihnen besitzen ein einfaches Modell, mit dem man nur telefonieren kann. Aber manche haben auch ein Smartphone. „Es ist das Fenster zur Welt“, so Barbara Thoma.

Offene WLAN-Hotspots helfen

Ein Fenster zur Welt, das vielen Wohnungslosen verschlossen bleibt. Oft fehlt nicht nur das Geld für ein halbwegs funktionstüchtiges Gerät, sondern auch für ein Guthaben zum Telefonieren und Surfen. Immerhin: Durch die weitestgehende Abschaffung der sogenannten Störerhaftung ist es einfacher geworden, ein offenes WLAN zu betreiben. Zuvor haftete ein WLAN-Betreiber, wenn beispielsweise über sein WLAN Urheberrechte verletzt wurden. Seit der Gesetzesänderung gibt es für alle, die ein offenes WLAN betreiben möchten, mehr Rechtssicherheit – und damit auch mehr offene WLANs.

Davon profitieren auch Wohnungslose, die solche offenen Netze mitverwenden können. Offene WLANs, sei es von Kommunen, Cafés, Kultureinrichtungen wie beispielsweise dem Gasteig in München oder von Privatpersonen, etwa im Rahmen der Freifunk-Initiative, helfen dabei, den digitalen Graben zumindest ein wenig zuzuschütten.

Analog neben digital bewahren

Für Wohnungslose wäre es auch wichtig, wenn nicht alles digitalisiert würde, was digitalisiert werden kann. Manche Städte verzichten beispielsweise auf Fahrpläne aus Papier und übersehen dabei, dass nicht jeder ein Smartphone hat oder benutzen möchte. Der bekannte Technologie-Journalist Enno Park verweist zudem darauf, dass es darüber hinaus durchaus Sinn machen kann, analoge Angebote parallel zu den digitalen Angeboten zu unterhalten, da dies eine Gesellschaft widerstandsfähiger macht.

Im Klartext: Wenn der Handyakku leer ist oder das Internet zusammenbricht, ist man froh, wenn es noch Fahrpläne aus Papier gibt. Ein angenehmer Nebeneffekt: Der digitale Graben verliert an Bedeutung, wenn es genügend analoge Zusatzangebote gibt. Das hilft am Ende nicht nur Armen, Alten, Migranten und anderen Gruppen, die keinen oder nur wenig Zugang zum Netz haben, sondern allen.

Der digitale Graben

2019 startete die Caritas die Kampagne „Sozial braucht Digital“ mit dem Ziel, ein Bewusstsein zu schaffen für die sozialen Aspekte des digitalen Wandels und mehr digitale Teilhabe zu ermöglichen. Laut Angaben der Wohlfahrtsorganisation sind zehn Millionen Menschen in Deutschland aus den unterschiedlichsten Gründen offline.

Dabei spielen nicht nur finanzielle Hürden eine Rolle, sondern auch, dass manches Altersheim immer noch kein Internet hat und manche Apps und Webseiten nicht barrierefrei sind. Umso wichtiger sind Initiativen wie „Internet und Kaffeeklatsch für Senioren“, wo Schüler ältere Menschen an die Digitalisierung heranführen.

Warum nicht mal ein Ladekabel spenden?

„Es gibt kein Bewusstsein dafür, dass diese Menschen genauso teilhaben wollen, wie wir auch. Und dass sie eben Internet und Gerätschaften brauchen, um ihr Leben zu organisieren.“ Bettina Spahn, Leiterin der katholischen Bahnhofsmission München

Es braucht also ein größeres gesellschaftliches Bewusstsein für die Tatsache, dass Zugang zum Netz eine Notwendigkeit ist, um sich am kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Leben zu beteiligen. Jeder kann dabei selbst etwas tun, um den digitalen Graben ein wenig einzuebnen. „Wenn wir bei den Spendenwünschen sagen, dass wir Ladekabel oder Powerbanks benötigen, dann stößt das immer noch eher auf Erstaunen“, sagt Bettina Spahn. Also: Alte Ladekabel und Smartphones gehören nicht in den Müll. Es gibt genügend Menschen, die solche Dinge noch gebrauchen können.

Text: BR

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